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Prospero und
die Klingonen

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Minna im
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1999
Prospero kommandiert
ein Klingonen-Schiff
Münster. Shakespeare-Klassiker oder Weltraum-Oper im LSD-Rausch? Diese Frage läßt sich nicht eindeutig beantworten - ein wenig von beidem ist "Der Sturm", der jetzt im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen Münster Premiere hatte.
 
Unendliche Weiten zeigt das Bühnenbild, noch bevor Prospero, Ariel und all die anderen bekannten Figuren des vermutlich letzten Shakespeare-Stücks die Szenerie betreten. Metallene Stangen weisen den Blicken unausweichlich den Weg zu einem riesigen Monitor, auf dem Prospero seine Inszenierung kontrolliert. Archaisch anmutende Steuergeräte, Elektronik einer fernen Vor-Enterprise-Ära, sind die Werkzeuge seiner Zauberkraft. All das hat Bühnenbildnerin Andrea Eisensee so vortrefflich arrangiert, daß das Spiel aus Traum und Wirklichkeit, Sinnestäuschung und Erkenntnis sich prächtig entfalten kann.
 
Natürlich paßt diese Umgebung nicht zu Shakespeares Versen - und verleiht ihnen vielleicht gerade deshalb einen ganz besonderen Reiz, auch wenn in der Inszenierung von Markus Kopf große Teile des Originaltextes fehlen. Das ist zwar beim "Stoff, aus dem die Träume sind" ausgesprochen schade, fällt aber ansonsten kaum auf. Was fehlt, wird zeitgemäß ersetzt: Mit Evergreens des 20. Jahrhunderts umwebt Therese Dörr als weiblich-wandlungsfähiger Ariel die Träume der auf Prosperos Raumbasis gestrandeten Gesellschaft, an der sich dieser rächen will, weil sie ihn, den ehemaligen Herrscher Mailands, zwölf Jahre zuvor stürzte und in die Verbannung schickte.
 
In einem bösen Spiel jagt Prospero, den Uwe Rohbeck etwas zurückhaltend, aber dennoch in seiner Strenge eindrucksvoll gibt, seinen Bruder Antonio (Frank Watzke), König Alonso von Neapel (Michael Holm) und ihr Gefolge (Johannes Paul Kindler, Christoph Römer und Jürgen Wink) durch das Gestänge seiner Welt. Er stürzt sie in Verwirrung, entreißt ihnen die Masken und entkleidet sie - im wahrsten Sinne des Wortes - aller Machtinsignien, bis sie im tristen Doppelripp enden - traurige Gestalten, hilflos angesichts von Mächten, denen sie nichts entgegenzusetzen haben.
 
 
Einzig Ferdinand, der Sohn des Königs von Neapel, entkommt mit (fast) heiler Haut Prosperos Ränkespiel, weil er sich in dessen Tochter Miranda verliebt - und sie sich in ihn. Philip Gregor Grüneberg und Christiane Brdiczka spielen ihre Rollen mit bezaubernder Naivität und setzen die ihnen zufallenden Pointen mit spielerischer Leichtigkeit - besonders in den Videosequenzen, mit denen Markus Kopf in seiner Inszenierung immer wieder erfrischende Akzente setzt.
 
Star des Abends aber ist Oliver Fobe als Prosperos Sklave Caliban, der sich mit Hilfe von Trinculo und Stephano (Trunkenbolde zwischen Mut, Übermut und Todesangst: Ekkehard Freye und Josef Wolf) aus Prosperos Macht befreien will. Er wälzt sich halbnackt im Staub, rollt mit den Augen, daß einem schwindelig werden kann, und vollführt die unmöglichsten Verrenkungen - das ist atemberaubend, auch wenn es zuweilen dem Gollum aus dem "Herrn der Ringe" nachempfunden scheint.
 
All diese Zutaten machen aus dem Münsterschen "Sturm" nicht nur einen intensiven, sondern auch einen unterhaltsamen Abend, einen Shakespeare fürs 21. Jahrhundert, der allerdings zuweilen etwas überdreht wirkt: Eine Prise mehr William und ein bißchen weniger LSD hätten es durchaus sein dürfen. Rundum sehenswert ist dieser Sturm aber allemal - wovon offenbar auch das Premierenpublikum überzeugt war: Es spendete lange begeisterten Applaus.
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