Kritisch und
hintergründig
Goethes "Faust" als
effektvolle Nummernrevue
Osnabrück. Die wiederbelebte Namens-Tradition des Hauses ist offenbar nicht Programm: Keinen bildungsbürgerlich schweren "Faust" präsentierte der neue Intendant Holger Schultze am 24. September als erste große Schauspielpremiere im Osnabrücker "Theater am Domhof", sondern eine von ihm über weite Strecken als effektvolles Spektakel inszenierte Version der Goetheschen Tragödie.
Schultzes stellenweise stark gekürzte Fassung entfaltet in der sich ständig drehenden, lichten und weiten Szenerie des Bühnenbildes von Martin Fischer eine erfrischende Dynamik, bei der allerdings Goethes philosophische Ansätze weitgehend auf der Strecke bleiben. Statt dessen jagen Faust (zerrissen bis in die Deklamation der Verse, dabei eindringlich und zuweilen naiv: Thomas Schneider) und ein von Steffen Gangloff in Leder- und Samt-Outfit (Kostüme: Erika Landertinger) im Stil eines "Maître de plaisir" gegebener Mephisto wie in einer Nummernrevue durch die Geschichte.
Das ist allemal sehenswert und unterhaltsam, allerdings nicht sehr tiefgründig. Und wird zuweilen förmlich zur Burleske, etwa in "Auerbachs Keller", in dem besoffene Studenten vor sich hin grölen, in der Hexenküche, aus der Faust verjüngt und - natürlich! - nackt hervorspringt, und in der Walpurgisnacht, einer wilden Orgie, in deren Mittelpunkt sich Johannes Bussler als wahrhaft teuflischer und dabei urkomischer Satan windet.
Absoluter Kontrast zu diesen wilden Szenen ist das von Katharina Quast sensibel und fein nuanciert gegebene Gretchen - dem am Ende allerdings die von Goethe vorgesehene Errettung versagt bleibt, denn auch die letzten Sätze hat Schultze gestrichen. So bleibt es im Stück beim "Heinrich! mir grauts vor dir!" - allerdings nicht im Premierenpublikum, das dem Osnabrücker "Faust" begeistert applaudierte.