Kritisch und
hintergründig
Ein Clan im Kampf
um Herrschaft und Besitz
Münster. Auftakt nach Maß für ein Unterfangen, das es so an Münsters Theater noch nie gab: Mit dem Vorabend "Das Rheingold" ging vorige Woche in der Inszenierung von Peter Beat Wyrsch mit überwältigendem Erfolg sozusagen der "erste Akt" zu Wagners komplettem "Ring des Nibelungen" über die Bühne.
Wyrsch rückt in seiner Inszenierung des Vorabends zu Wagners Drama über Macht und Besitz, über Schuld und Verstrickung, aber auch über eine Zeitenwende, die "Familie", den "Clan" der Götter in den Mittelpunkt und betont die Charaktere der Handelnden. Dabei setzt er ganz wesentlich auf die Ausdrucksfähigkeit des gesamten Ensembles, auf die Kraft und Emotionalität von Wagners Musik und auf die Wirkung von Raum und Licht. Und dieses Konzept erweist sich als überaus gelungen, denn Wyrsch kann sich voll und ganz auf diese Elemente stützen und verlassen.
Roland Aeschlimann schuf ein Bühnenbild voller technischer und optischer Raffinessen. Ein Vorbau ins Parkett hinein umschließt den Orchestergraben und verleiht so dem Raum enorme Tiefe. Die eigentliche Bühne besteht aus einem meterhohen "Fächer" schiefer Ebenen, die sich ständig bewegen. Davor liegt ein Vorhangschleier, der die "Wahrnehmungsebenen" optisch trennt. Der Rest ist Licht und Farbe, symbolisierend und von sinnlichem Reiz.
In diesem Bühnenbild singt und agiert ein Wagner-Ensemble, das an Bühnen dieser Größenordnung seinesgleichen suchen dürfte, allen voran die Sänger der drei Hauptpartien. Den Alberich gibt Renatus Mészár mit ausdrucksstarkem Baßbariton. Sein Gespür für die große emotionale Breite der Partie ist glänzend, ob im triumphierenden Machtgefühl des Parvenüs nach dem Raub des Goldes und dem Erringen der Macht über die Nibelungen durch den von ihm geschmiedeten Ring oder in der ohnmächtigen Raserei des Besiegten, als Wotan ihm diesen gewalttätig entreißt.
Dieser Wotan ist Ralf Lukas, optisch wie im stimmlichen Ausdruck der Widerpart des Alberich. Er verleiht der Partie des Göttervaters in elegantem silbergrauem Gewand (die symbolhaften, zuweilen fein karikierenden Kostüme im Stil der Jahrhundertwende schuf Renate Schmitzer) mit stählernem, klarem Bariton Tiefe und Charakter. Lukas' Wotan wandelt stets überzeugend entlang der Linie, die den souverän-machtbewußten Göttervater vom vertragsbrüchigen Despoten trennt, der den Riesen Fasolt und Fafner (Bauarbeiter in zerschlissenen Jeans-Overalls mit mächtigen Staturen und charaktervollen Bässen: Georg Zeppenfeld und Vidar Gunnarsson) den Lohn dafür vorenthalten will, daß sie ihm seine Burg gebaut haben.
Für diesen Vertragsbruch muß Wotan bekanntermaßen der Feuergott Loge zu Hilfe kommen. Diesen gibt in Münster Thorsten Scharnke. Und wie: Kostümmäßig zwischen Faust und Mephisto angesiedelt, mit Wagnerkappe und feuerroten Handschuhen, lotet der Tenor mit präziser Stimme die intellektuelle Durchtriebenheit und listige Verschlagenheit der Partie voll aus.
Stimmlich wie darstellerisch stets höchst präsent sind auch alle anderen Mitglieder des Ensembles. Suzanne McLeod als Fricka, Caroline Thomas als Freia und Janet Collins als Erda überzeugen mit präzisem Gesang. Als den Hammer schwingender Donner agiert Radoslaw Wielgus, Terje Andersen gibt den Froh. Musikalischen Hochgenuß bereiten auch die drei Rheintöchter Eva Lilian Thingbø, Katharina von Bülow und Janet Collins. Mark Bowman-Hester schließlich gibt den Mime als Alchimisten mit sensibler Stimme.
Stets auf der Höhe von Wagners Werk zeigt sich das Orchester. Generalmusikdirektor Will Humburg lotet mit dem vorzüglichen Klangkörper die Partitur sensibel aus, scheut auch vor emotionalen Ausdeutungen nicht zurück und ist den Sängern zu jeder Zeit ein wohltuend zurückhaltender Partner. Nicht zuletzt daran liegt es auch, daß Wagners Text fast immer verständlich zu vernehmen ist.
Angesichts dieses mehr als gelungenen Vorabends, der vom Publikum begeistert aufgenommen wurde, darf man sich wohl auf die "Walküre" freuen. Der Premierentermin steht bereits fest: Am 30. Oktober hebt sich der Vorhang zum nächsten "Akt" des "Rings".
Ein Clan-Chef zwischen
Machtraison und Liebe
Münster. Wotans Welt wankt. Die Zeitenwende, sie naht. Ein Clan erlebt den Anfang seines Endes - sein Chef erahnt es mit erhobenem Speer, und geht am Schluß ganz leise seiner Wege: ins Dunkel. Die Götterdämmerung, sie ist bereits zum Greifen nah in Peter Beat Wyrschs Inszenierung der "Walküre", dem zweiten "Akt" des "Ring des Nibelungen", der am vergangenen Wochenende in Münster Premiere hatte.
Nahtlos setzen Wyrsch und sein Licht- und Raum-Magier Roland Aeschlimann - Bühnenbildner wäre zu profan - dort an, wo sie im "Rheingold" endeten. Wotans und seines Götter-Clans Welt ist ein karges, düsteres Rund um den Orchestergraben, der tiefe, weite Raum hinter dem Gazeschleier bleibt den Menschen vorbehalten, deren Welt dereinst den Untergang der Götter bedeuten wird. Alles ist Licht - und erneut schafft das Licht den Raum und die Zeit für ein grandioses Schauspiel.
Und ein grandioses Schauspiel mit einer faszinierenden Interpretation von Wagners Lebenswerk ist der "Ring" in Münster, daran kann nach dieser "Walküre" kein Zweifel bestehen. Wyrschs Deutung des Zeitenwende-Stoffes als Drama einer Familie, die im Kampf um Macht und Geld untergeht, gewinnt in der "Walküre" eine Intensität, die das Publikum fünfeinhalb Stunden hindurch völlig in ihren Bann zieht.
Das beginnt mit dem Zusammentreffen der beiden Wälsungen-Zwillinge Siegmund und Sieglinde in Hundings Haus, wenn Thorsten Scharnke (unzweifelhaft eine der Tenor-Entdeckungen des Jahres) und Caroline Thomas in großartiger stimmlicher und mimischer Harmonie zueinander finden, präzise im Ausdruck und fast stets prächtig zu verstehen, wie im übrigen fast das gesamte Ensemble während der Aufführung.
Mächtiger und ebenbürtiger Widerpart der beiden, deren Inzest Wotan dereinst das Ende bringen wird, ist Martin Blasius als Hunding, Sieglindes Mann, der Siegmund zum tödlichen Kampf fordert. Akzentuiert und charaktervoll intoniert er seine Baßpartie. In diesen Kampf will Wotan zugunsten Siegmunds eingreifen, doch würde er damit sein eigenes Gesetz brechen - das Drama nimmt seinen Lauf.
Harry Peeters verkörpert als Wotan den absoluten Herrscheranspruch und die schicksalhafte Ohnmacht auf eine Weise, wie sie überzeugender kaum sein könnte. Im langen Mantel, den mit Vokabeln des eigenen Anspruchs beschrifteten Speer haltend (die zu Aeschlimanns Raum und Wyrschs Inszenierung kongenialen Kostüme schuf erneut Renate Schmitzer), schaut er einsam von seinem Weltenrund aus zum Geschehen im Menschenreich hinauf - und darf doch nicht nach seinem Willen eingreifen.
Mit markantem, dabei in den lyrischeren Passagen höchst sensiblen Baßbariton interpretiert Peeters diese Zerrissenheit und auch die Ahnung vom Ende, die ihn zunehmend beschleicht. Resigniert muß er seiner Frau Fricka (präsent, präzise und höchst prägnant: Suzanne McLeod) zugestehen, daß Siegmund im Kampf fallen muß, da dieser, obwohl Wotans Geschöpf, dessen Gesetz gebrochen hat.
Und so nimmt das Schicksal, dem der Götterclan nicht entrinnen wird, seinen Lauf: Die Walküre Brünnhilde darf nicht zugunsten Siegmunds eingreifen, sondern soll ihn töten. Evelyn Herlitzius, ebenso wie Harry Peeters als Gast nach Münster gekommen, brilliert in dieser Partie mit kraftvoller Stimme, höchstem Ausdruck, glänzendem Timbre und jugendlichem Temperament. Ergriffen von der Liebe der Wälsungen will sie Siegmund zur Seite stehen, doch Wotan verhindert das. An seinem Speer zerbricht Siegmunds Schwert, Hunding erschlägt den Wälsungen. Brünnhilde jedoch verhilft Sieglinde zur Flucht aus dem Machtbereich Wotans.
Dafür muß der Clan-Chef seine Tochter bestrafen - und will es doch eigentlich nicht. Nach dem Walkürenritt - in Münster eine furiose orchestrale, sängerische und szenische Parforcejagd, während der die in bauschige Röcke und goldene Brustpanzer gewandeten Walküren, allesamt brillante Solistinnen in großartigem Chor, die gefallenen Krieger einsammeln und dabei ein ums andere Mal die Grenze zwischen Menschenwelt und Götterreich überschreiten - kommt es zur Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter. Brünnhilde wird von Wotan im Feuer eingeschlossen.
Die Machtraison siegt über die Vaterliebe, und wie! Keinen besseren Moment hätte sich Harry Peeters für die einzige Konditionsschwäche des Abends aussuchen können: In der letzten Umarmung der Tochter bricht ihm - ganz gebrochener Vater - die Stimme. Während er seitlich im Dunkel verschwindet, erstarrt Brünnhilde in vielfarbig loderndem Lichtfeuer. Grandios!
Nicht nur in diesem dritten Akt der "Walküre", sondern während der gesamten Dauer der Aufführung brilliert auch der letzte Star des Abends, das Symphonieorchester unter der Leitung von Will Humburg. Sensibel und voller musikalischer Spannung interpretieren die Musiker die lyrischen Passagen von Wagners Werk, präzise und mit Verve die machtvollen Klänge. Der Generalmusikdirektor hat aus dem Münsteraner Klangkörper ein Ensemble geformt, daß sich mit weitaus renommierteren mehr als messen kann.
Spätestens seit dieser "Walküre" ist Münster eine Wagner-Bühne ersten Ranges. Das spürte auch das Publikum: Es feierte die Premiere mit minutenlangen stehenden Ovationen. Und fühlte sicher bereits Vorfreude auf den "Siegfried". Dessen Premiere folgt am 8. April 2000. Empfehlung schon jetzt: unbedingt hingehen!
Ein Wanderer im Streit
um Ring und Macht
Münster. Wotan ist grau geworden. Nur noch Fäden ziehen kann der alternde Gott, und diese gleiten ihm mehr und mehr aus den Händen. Vorbei die Zeit, da der mächtige Clan-Chef den Lauf der Welt bestimmte - ein junger, naiver Mensch schickt sich an, ins Weltgeschehen einzugreifen und die alte Zeit in den Abgrund zu stoßen.
Allgegenwärtig ist es zwar, das Auge der Götter im "Siegfried", dem dritten Teil von Wagners "Ring", der jetzt in Münster in der Regie von Peter Beat Wyrsch und im Bühnenraum von Roland Aeschlimann Premiere hatte. Überlebensgroß, einmal als drohendes reales Auge, dann wieder als gigantisches Blendenspiel einer Kameraoptik, beobachtet es das Geschehen um den jugendlichen Recken Siegfried, der - obwohl Wotans Geschöpf - dereinst den Untergang der Götter bedeuten wird. Aber es bleibt ein stummer, riesenhafter Zeuge.
Die Menschen stehen im Fokus. Wo noch im "Rheingold" und in der "Walküre" die Götter handelten, auf dem Vorbau rund um den Orchestergraben, agieren jetzt sie. Die Göttersphäre haben Aeschlimann und Wyrsch hinter den Gazeschleier entrückt, deutliches Symbol des veränderten Blickwinkels und der nahenden Zeitenwende.
So muß sich denn Wotan auf die Ebene der Menschen begeben, um den Lauf der Welt zu beeinflussen und den Ring zurück zu erlangen, den er Alberich entriß, um ihn Fafner als Bezahlung für den Bau der Burg Walhall zu geben. Hier unten jedoch ist der Wanderer eine traurige Gestalt, auch wenn Bodo Brinkmann ihm mit seinem akzentuierten, wunderbar erdigen Baßbariton den Anspruch vergangener Macht verleiht. Im langen Mantel, der wahrlich schon bessere Tage gesehen hat (die höchst antipathetischen Kostüme schuf erneut Renate Schmitzer), sich stets krampfhaft an seinem Speer festhaltend, kommt er daher, um durch Siegfried an den Ring zu gelangen.
Der junge Held jedoch, den in Münster der Tenor Christian Franz mit unbändiger stimmlicher Energie scheinbar mühelos und mit höchster Präzision singt, will sich nichts vorschreiben lassen - weder von Mime, seinem Ziehvater, noch von Wotan. Ein junger Wilder, alternativ gewandet in Cargohosen und wallendem Hemd, geht seinen eigenen Weg. Hindern kann ihn Mime - hinterlistig-komisch mit variantenreichem Spiel (trotz Bänderdehnung) und vorzüglicher Stimmführung: Mark Bowman-Hester - nicht. Das ungleiche Paar gefällt in Münster vor allem durch den Gegensatz in Timbre und Darstellungskunst. Da bleibt kein Raum für Pathos: Als Siegfried zu Wagners machtvollen Klängen das Schwert Nothung neu schmiedet, köchelt Mime in aller Ruhe auf einer heißen Herdplatte das Gift - und schlägt dafür sogar gekonnt ein Ei auf. Und beides sieht man nicht nur, auch zu hören ist der Unterschied der Charaktere.
Wie schon im "Rheingold" darf sich auch im "Siegfried" Renatus Mészár als Alberich der (wenn auch diesmal nur kurzen) Auseinandersetzung mit Wotan stellen. Ebenfalls sichtlich gealtert schleicht er im Dunkel auf die Bühne, klar und präzise jedoch ist der stimmliche Ausdruck seines wohltemperierten Baßbaritons. Auch die weiteren "kleineren" Rollen sind in Münster vorzüglich besetzt: Martin Blasius leiht dem Fafner bis zu dessen Ende von Siegfrieds Hand seinen mächtigen akkuraten Baß, Janet Collins überzeugt als Erda, bis sie von Wotan in ewigen Schlaf versetzt wird. Buchstäblich am Faden des Wanderers agiert Anke Krabbe herrlich marionettenhaft mit ihrer frischen Stimme als Waldvogel. Ein besonderes Lob gilt Caroline Thomas als Brünnhilde: Trotz einer Erkältung vertrat sie die eigentlich für die Premiere vorgesehene, jedoch kurzfristig erkrankte Evelyn Herlitzius, und das mehr als überzeugend. Blendend ihr Ausdruck und ihre Präsenz im sugggestiven Lichter- und Farbenspiel, mit dem Aeschlimann erneut Brünnhildes Burg umgibt, in der sich die Walküre schließlich Siegfrieds Liebeswerben ergibt.
Der Faszination der Bilder und Stimmen steht mit dem Symphonieorchester der Städtischen Bühnen erneut ein kongenialer Klangkörper zur Seite. Wie schon in den beiden vorangegangenen Teilen merkt man dem Orchester und seinem Leiter Will Humburg förmlich die künstlerische Besessenheit an, mit der sie Wagners Werk in all seinem musikalischen Reichtum präzise und doch höchst energiegeladen zu Gehör bringen.
Und so erhielt Münsters "Siegfried" natürlich auch seinen verdienten Lohn: Mit stehenden Ovationen und einem nicht enden wollenden "Bravo"-Reigen dankte das Premierenpublikum den Beteiligten. Es empfand wohl ebenso wie der Rezensent: Münsters "Ring" darf bereits vor seinem Abschluß (Premiere der "Götterdämmerung" ist am 14. April 2001) als bravouröses Gesamtkunstwerk gelten.
Die Zeit im
Fadenkreuz des Schicksals
Münster. Die Weltesche ist verdorrt. Wo einst der Chef des Götterclans um den Ring rang, streiten jetzt Menschen um die Macht. Ihnen allein gehört die Bühne, auf der Regisseur Peter Beat Wyrsch und Bühnengestalter Roland Aeschlimann die "Götterdämmerung" zelebrieren. Premiere war am vergangenen Wochenende in Münsters Großem Haus.
Nichts trennt mehr die Welten. Grenzte noch im "Siegfried" ein undurchdringlicher Gazeschleier Götter und Menschen voneinander ab, so agieren jetzt Brünnhilde und Siegfried, Gunther und Hagen einmal vor, einmal hinter der einstigen Grenze, überwinden sie mühelos, wechseln die Seiten. In schicksalhaften Wendezeiten wird alles möglich. So greift nicht Wotan erneut nach dem Ring, Hagen will ihn mit allen Mitteln erringen, um das Erbe der Götter anzutreten.
Das Ende ist bekannt. Bis es jedoch soweit ist, ziehen Wyrsch, Aeschlimann und alle anderen, die am Münsterschen "Ring" mitwirken, noch einmal sämtliche Register ihres bemerkenswerten Könnens - und führen das Werk konsequent zu Ende.
Als Siegfried von Brünnhildes Burg aufbricht, scheint seine Welt noch in Ordnung. Unbekümmert verabschiedet sich der Held, neuen Taten entgegen. Christian Franz gibt ihn, wie bereits im "Siegfried", mit großer sängerischer Energie und naiver Arglosigkeit. Doch das Unheil lauert bereits auf Siegfried. Am Gibichungenhof wartet Hagen, der Sohn Alberichs (als Schatten vergangener Zeiten groß in kleiner Partie: Renatus Mészár), um ihm den Ring zu entreißen. Ganz Intrigant im glänzend-grauen Habit - für die überwiegend dekadent-eleganten Kostüme zeichnet erneut Renate Schmitzer verantwortlich - entwickelt Allan Evans mit präzisem Baß und überragender Textverständlichkeit diese Rolle prächtig.
Siegfried ahnt nichts von der Intrige. Ein Zaubertrank läßt den jugendlichen Helden Brünnhilde vergessen, und so erbittet er von Gunther (mächtiger Baßbariton mit fabelhaft geckenhaftem Gehabe: Ralf Lukas) die Hand von dessen Schwester Gutrune, die Caroline Thomas als edel-kühle, sichtlich gelangweilte Adlige gibt. Der Gibichunge gewährt sie ihm, im Gegenzug wird Siegfried Brünnhilde für Gunther erringen, da nur er mit seinem Tarnhelm das Feuer um ihre Burg überwinden kann.
Brünnhilde wird unterdessen von ihrer Schwester Waltraute (brillant mit ausdrucksstarkem, flehend-gedämpftem Timbre: Suzanne McLeod) beschworen, den Ring den Rheintöchtern zurückzugeben, um Alberichs Fluch über das Rheingold zu brechen. Brünnhilde lehnt ab, und so kann Siegfried, der ihr in Gunthers Gestalt erscheint und sie bezwingt, ihn ihr entreißen.
Als Brünnhilde an Gunthers Hof den Ring an Siegfrieds Hand entdeckt, ist das Schicksal des Helden besiegelt. Die Walküre bezichtigt ihn des Treuebruchs an Gunther, Siegfried jedoch leistet auf Hagens Speer den Meineid, nicht die Nacht mit ihr verbracht zu haben. Nach Rache dürstend, stimmt Brünnhilde Hagens Plan zu, Siegfried am nächsten Tag dieses Meineids zu überführen und ihn dann hinterrücks zu ermorden.
Evelyn Herlitzius gelingt als Brünnhilde ein wahrer Parforceritt durch ihre Partie. Mit ihrem kräftigen Sopran und höchster stimmlicher Präzision wird sie zur alles überragenden Figur. Sie lotet die Walküre musikalisch und emotional bis in kleinste Detail engagiert aus - und das scheinbar mühelos. Ein vollendeter Genuß!
Glänzend auch ihre Darstellung, als sich das Drama dem Ende zuneigt. Siegfried, obwohl von den Rheintöchtern (exzellenter Chor dreier Solistinnen: Stephanie Kühne, Heike Grötzinger und Janet Collins) gewarnt, mag sich nicht vom Ring trennen und fällt Hagens Intrige zum Opfer. Wo eben noch die Rheintöchter hoch im Bühnenraum in konzentrischen Kreisen schwammen, stirbt der Held im Fadenkreuz des Schicksals, das Aeschlimann auf den Gazevorhang projiziert. Im Verlauf des Abends im Aussehen immer menschlicher geworden, nimmt Brünnhilde den Ring an sich und begeht Selbstmord. In blau-violettem Feuerglanz vergehen Walhall und die Burg der Gibichungen - letztes Fanal einer untergegangenen Welt und grandioser Schlußpunkt des Lichtzauberers Aeschlimann. In azurblauem Schein dämmert die neue Zeit herauf - unberührt und leer.
Mit diesem Schlußakkord findet auch eine Orchesterleistung ihr Finale, die vom "Rheingold" bis zur "Götterdämmerung" nahezu ohne Fehl und Tadel bleibt. Will Humburgs Stabführung besticht erneut durch Präzision und sängerfreundliche Dynamik, so emotional wie die Inszenierung ist auch die musikalische Interpretation von Wagners Musik durch das Symphonieorchester.
Zahllose "Bravos" gab es bereits nach den einzelnen Aufzügen, zum Abschluß dieses "Rings" wie aus einem Guß bejubelte das Premierenpublikum wie schon bei den vorangegangenen Teilen der Tetralogie alle Beteiligten stürmisch.