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Manchmal hilft ein
beherztes "Alphawort"
Bad Rothenfelde. "Her mit der Jacke!" Lisa nimmt hastig das Handy aus der Tasche, um die Polizei zu rufen - und dann ist sie natürlich das Mobiltelefon auch noch los.
 
Zum Glück ist die Situation nur gespielt, der "Abzieher" heißt Wilfried Bury und ist im wirklichen Leben Polizist. Aber die Szene, die der Anti-Aggressions-Trainer im Bad Rothenfelder Jugendzentrum "hinlegt", wirkt schon ziemlich realistisch.
 
"Mädchen stark machen" wollen Bury und die Bad Rothenfelder Jugendpflegerin Iris Behmerburg-Olbricht. Und so lautete denn auch am 28. April das Motto des ersten kostenlosen Selbstsicherheitstrainings in Bad Rothenfelde für 13- bis 16jährige Schülerinnen. Wichtigstes Ziel: Die jungen Damen sollten in Gesprächen und Rollenspielen lernen, wie man Gewaltsituationen entschärft.
 
Der Begriff Gewalt bezieht sich dabei nicht allein auf körperliche Aggression. "Wie reagiere ich auf mir unangenehme Situationen?" lautete daher eine der ersten Fragen, mit der sich die Mädchen beschäftigten. "Agieren, nicht reagieren", ist dazu die Empfehlung von Wilfried Bury, zum Beispiel, indem man auf das Gegenüber einredet, wenn man penetrant und aggressiv "angebaggert" wird. Um das zu üben, mußten die Teilnehmerinnen einzeln jeweils dreißig Sekunden aus dem Stegreif über einen Begriff reden, den Bury ihnen "an den Kopf warf" - nicht ganz einfach bei Wörtern wie "Eminem".
 
Alphawort 1 Ein Polizist in ungewohnter Rolle: Wilfried Bury spielte mit den Mädchen unter anderem als "Wegezoll-Erpresser" typische Gewaltsituationen durch.
Foto: Volker Göx
 
 
In Rollenspielen wurden dann typische Gewaltsituationen nachgespielt: Anpöbeleien in Bus oder Bahn, die Erpressung von "Wegezoll" auf dem Schulweg oder eben das "Abziehen" der Jacke. Um in solchen Situationen andere auf das Geschehen aufmerksam zu machen, nutzt man am besten ein "Alphawort", weiß Wilfried Bury. "Wenn ich die Jacke ausziehe, stehe ich ja nackt da" - mit einem solchen Satz könne man zum Beispiel dafür sorgen, daß Passanten hellhörig würden. "Das Wort 'nackt' ist ein Alphawort", erklärt Bury.
 
Patentrezepte allerdings gibt es nicht, weiß der Polizist aus eigener Erfahrung. Ob man sich einer Situation stellen oder ihr - etwa durch das Wechseln der Straßenseite - ausweichen solle, sei eine Frage des "Ja-Gefühls" oder des "Nein-Gefühls". Wer die Auseinandersetzung mit einem Wegezoll-Erpresser scheue, solle diesem Gefühl ruhig nachgeben und zunächst einen Umweg in Kauf nehmen. "Anschließend aber bitte sofort zur Polizei gehen", riet Bury den Mädchen, das gelte übrigens auch in anderen Fällen von Aggression und Gewalt.
 
Das Training im Bad Rothenfelder Jugendzentrum fand im Rahmen des landkreisweiten Projekts "Stark machen ohne Gewalt" statt. Bury ist einer von zwölf Dozenten, die diese Maßnahmen im Osnabrücker Land durchführen. Ausgebildet wurden sie von der Initiative zum Schutz vor Kriminalität (ISVK), einem bundesweit tätigen Verein, zu dessen Aufgaben unter anderem Präventionsarbeit gehört. Bury ist Regionalbeauftragter des ISVK für Niedersachsen. Ebenso wie die anderen Anti-Aggressions-Trainer ist er nicht nur in Schulen und Jugendzentren tätig, sondern zum Beispiel auch in Seniorenkreisen.
 
Das Selbstsicherheitstraining in Bad Rothenfelde war keine einmalige Veranstaltung, Iris Behmerburg-Olbricht will daraus eine feste Einrichtung werden lassen. Eine Woche später gab es das Angebot daher auch für Jungs. "Es wäre schön, wenn wir solche Kurse in Zukunft auch für Kinder im Alter von neun oder zehn Jahren anbieten könnten", wünscht sich die Jugendpflegerin.
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